Was ist „besser“: Vollkostenrechnung oder Teilkostenrechnung?
Eine Teilkostenrechnung liegt dann vor, wenn nicht die gesamten Kosten, sondern lediglich ein Teil der anfallenden Kosten auf die Kostenträger (Leistungen: Produkte, Aufträge, Gewerke, Dienstleistungen) verrechnet werden. Die Teilkostenrechnung lastet nämlich einem Kostenträger nur jenen Teil der Kosten an, der ausschließlich durch die Herstellung dieses einen Kostenträgers zusätzlich entsteht (dabei handelt es sich um die variablen Kosten bzw. sog. Grenzkosten). Alle übrigen Kosten (und hier sind die Fixkosten gemeint) werden – unter Umgehung der Kostenträger-Rechnung – direkt in die Erfolgsrechnung (KERF) übergeleitet.
Variable Kosten (direct costs) zeichnen sich also dadurch aus, dass sie je Leistungseinheit anfallen und sich daher in ihrer gesamten Höhe jeder Veränderung der Mengen oder Beschäftigung anpassen (= beschäftigungsabhängige Kosten). Wird mehr produziert, so steigen auch die variablen Kosten. Wird umgekehrt weniger produziert, so gehen auch die variablen Kosten zurück. Zu den typischen variablen Kosten zählen bspw. das Fertigungsmaterial (z.B. EUR 20,00 Materialkosten je Stück) sowie die Fertigungslöhne (z.B. EUR 50,00 Lohnkosten je Stunde).
Im Gegensatz zu den variablen Kosten reagieren fixe Kosten (period costs) nicht auf Beschäftigungsschwankungen. Sie fallen allein für die Bereitstellung der Kapazitäten an (= Bereitschafts- oder Strukturkosten). Fixe Kosten können nur durch Management-Entscheidungen verändert werden (z.B. Aufnahme oder Freisetzung eines „unproduktiven“ Mitarbeiters mit administrativen Aufgaben).
Während sich also die fixen Kosten in ihrer absoluten Höhe grundsätzlich nicht verändern (die Ausnahme bilden die sog. sprungfixen Kosten, die sich bei Überschreiten einer bestimmten Kapazitätsgrenze erhöhen), verändert sich freilich deren relative Höhe mit der Ausbringungsmenge. D.h. die Fixkosten je Stück fallen mit zunehmender Menge (Beschäftigung) in Relation zu den fixen Stückkosten bei niedrigeren Mengen. Dies führt insgesamt zu einem degressiven Stückkostenverlauf (sog. Fixkostendegression) und das ist ein positiver und damit angestrebter Effekt (man kann in diesem Zusammenhang auch von der „optimalen Beschäftigungsauslastung in Bezug auf die Fixkosten“ sprechen).
Wird bei der Teilkostenrechnung auch die Erlösseite miteinbezogen, spricht man von der Deckungsbeitrags-Rechnung (DB-Rechnung).
Bei der DB-Rechnung (auch Direct Costing oder Grenzkostenrechnung genannt) werden somit die Gesamtkosten in variable Kosten und fixe Kosten zerlegt und nur der variable Teil der Kosten wird den Kostenträgern zugerechnet.
Unter dem Deckungsbeitrag wird nun die Differenz zwischen dem Verkaufserlös (Netto-Verkaufspreis) und den variablen Kosten eines Produkts verstanden. – Anders formuliert stellt der Deckungsbeitrag (db) jenen Teil der Erlöse (p) dar, der nach dem Begleichen der variablen Kosten (kv) eines Produktes dem Unternehmen noch zur Deckung seiner Fixkosten (Kf) übrig bleibt.
Bezogen auf ein Stück ergibt sich dieser als: db = p – kv
Auf Produktebene kann jedoch nur noch der Deckungsbeitrag (und keinesfalls ein Produktgewinn!) berechnet werden. – Der Gewinn ist nur mehr auf Unternehmensebene im Rahmen der KERF ermittelbar. Dazu werden die Deckungsbeiträge der einzelnen Produkte addiert (ådb = DB). In der Folge werden vom derart ermittelten Gesamtdeckungsbeitrag (DB) die Fixkosten des Unternehmens (Kf) „en bloc“ abgezogen (daher wird in diesem Zusammenhang auch vom sog. Fixkostenblock gesprochen).
Die Schwächen der Teilkostenrechnung liegen u.a. darin, dass sie mit einem größeren Aufwand verbunden ist (sie erfordert eine „Auflösung“ der Kosten in fixe und variable Kosten; es müssen daher in jeder Kostenstelle für jede Kostenart variable und fixe Kosten getrennt (= „aufgelöst“) werden) und dass mit ihr keine Vorkalkulation (Verkaufspreisermittlung für einen Kostenträger) möglich ist.
Der große Nutzen der Teilkostenrechnung liegt dort, wo es um die Ermittlung von Deckungsbeiträgen einzelner Produkte (Kostenträger) oder Produktgruppen geht. Wichtige Informationen, die aus der Deckungsbeitrags-Rechnung gewonnen werden können, sind bspw. die Ermittlung von „Kampfpreisen“ (kurzfristige Preisuntergrenzen, die womöglich unter den Vollkosten liegen), die Ermittlung der Gewinnschwelle (BEP) sowie die Produktionsprogramm-Planung bei Kapazitätsengpässen.
Zwei ganz entscheidende Informationen kann die Teilkostenrechnung jedoch nicht liefern: Die langfristige Preisuntergrenze und den Verkaufspreis – jeweils bei Deckung aller Kosten; das kann nur die Vollkostenrechnung.
Wenn ich als Controller die Wahl hätte, dann würde ich mich für die Vollkosten- und die Teilkostenrechnung entscheiden. à Daher: Im ersten Schritt eine Vollkostenrechnung einführen – und diese bei Gelegenheit und Bedarf in einem zweiten Schritt um eine Teilkostenrechnung ergänzen. Dann habe ich die gewünschten (und notwendigen) Informationen aus beiden Rechnungen.
Autor: Wolfgang Neubauer
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